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Brief von Wolfgang Drexler

LANDTAG VON BADEN-WÜRTTEMBERG Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses "Die Aufarbeitung der Kontakte und Aktivitäten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und die Umstände der Ermordung der Polizeibeamtin M.K." ("Rechtsterrorismus/NSU BW") Wolfgang Drexler MdL, stellvertretender Präsident des Landtags von Baden-Württemberg Stuttgart, 17. September 2015

Untersuchungsausschuss .Rechtsterrorismus/NSU BW" Bezug: Programmheft 0910/15: "Der NSU-Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg - Ein Zwischenbericht" von Janka Kluge

Sehr geehrte Frau Kluge, sehr geehrte Damen und Herren,

mit Interesse habe ich Ihren Zwischenbericht über den Untersuchungsausschuss .Rechtsterrorisrnus/NSU BW" im Programmheft 0910/15 des freien Radios Stuttgart zur Kenntnis genommen. Ich bin davon überzeugt, dass eine öffentliche Aufklärung eines so komplexen Themas nur gelingen kann, wenn daran auch eine breite Öffentlichkeit teilnehmen kann und tatsächlich teilnimmt. Für Ihr Interesse an der Arbeit des Gremiums und Ihre Mitarbeit möchte ich mich daher ganz herzlich bedanken.

Im Folgenden erlaube ich mir, auf einige Punkte Ihres Berichts einzugehen.

Auf Seite 6 führen Sie aus: "Obwohl die Polizei ihm [Florian H.] nach der offiziellen Version glaubte, nahm sie ihn trotzdem in ein Zeugenschutzprogramm auf."

Florian H. wurde tatsächlich in das Aussteigerbetreuungsprogramm "BIG Rex" aufgenommen, dies stellt jedoch kein Zeugenschutzprogramm dar. Hinweis dafür, dass er zusätzlich auch in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden sollte, war die Aussage des Vaters vor dem Untersuchungsausschuss, der berichtete, dass sein Sohn erzählt habe, dass BIG Rex ihm gesagt habe, wenn sich seine Aussagen als wahr erweisen würden, könnte er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Zum anderen wurde dies auch durch Herrn Selvakumaran im Buch .Geheimsache NSU" beschrieben.

Der Untersuchungsausschuss konnte bislang keine eindeutige Bestätigung des Vorgangs herausarbeiten. Weder die zu Lebzeiten von Florian H. ermittelnde Beamtin des LKA noch der zuständige Beamte von BIG Rex hatten Kenntnis davon, dass Florian H. ein Zeugenschutzprogramm angeboten worden sei. Auch der Sachverständige des Untersuchungsausschusses Thumilan Selvakumaran hat auf Nachfrage in der öffentlichen Sitzung keine näheren Angaben hierzu gemacht. Der Sachverständige Prof. Dr. Funke hat zwar zunächst erklärt, die Information stamme sowohl aus dem Umfeld der Familie als auch aus den Akten des Bundestags-Untersuchungsausschusses, konnte auf schriftliche Nachfrage aber keine FundsteIle in den Akten des Bundestags nennen.

Weiter erklären Sie auf derselben Seite, der Untersuchungsausschuss interessiere sich nicht für die terroristische Gruppierung "Standarte Württemberg", obwohl einiges dafür spreche, dass die "NSS" Teil der Gruppe gewesen sei.

Dieser Behauptung möchte ich deutlich entgegentreten. Zum einen wurden in einer Vielzahl von Sachverständigen- und Zeugenvernehmungen durch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Kenntnissen zur "Standarte Württemberg" gefragt (z.8.: 7. Sitzung: Vernehmung SV Röpke, SV Prof. Funke; 9. Sitzung: u.a. Vernehmung Zeuge G.H., Zeugin T.H.; 11. Sitzung: Zeuge K.H.; 15 .Sitzung: u.a. Zeuge K.B.; 16. Sitzung: Zeuge A.H., Zeuge H.W., Zeuge M.K.).

Darüber hinaus wurde die Beiziehung der entsprechenden umfangreichen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft schon in der 6. Sitzung des UsA im Februar 2015 beschlossen, diese wurden darauf zeitnah durch das Justizministerium geliefert. Das Beweisantragsrecht liegt bei den Fraktionen, bislang hat sich für keine Fraktion nach dem Studium der Akten ein möglicher weiterer Beweisantrag zu dem Thema ergeben.

Sollten Sie hierzu weitere Erkenntnisse haben, was Ihre Aussage, "es spreche vieles dafür" vermuten lässt, wäre ich um nähere Hinweise dankbar. Gerne können Sie sich zu diesem Zweck an mich selbst oder den Mitarbeiter Herr Richter Letsche wenden.

Ebenfalls auf S. 6 führen Sie aus, dass Florian H. gesagt habe, er würde von Kroaten bedroht und führen im Anschluss ausführlich zu der Rolle von Markus Frntic aus. Ich möchte hierzu klarstellen, dass sich aus der bisherigen Ausschussarbeit nicht ergeben hat, dass es sich bei den von dem Vater von Florian H. genannten "Kroaten" u.a. um Markus Frntic handle. Auch hierzu wurden eine Vielzahl von Zeugen befragt, jedoch konnte dies keiner der Zeugen bestätigen.

RichtigstelIen möchte ich darüber hinaus Ihre Aussage auf S. 7, der betreuende BIG-Rex-Beamte habe in öffentlicher Sitzung nichts zum Vorwurf durch den Vater von Florian H. sagen wollen, dass die Telefonnummern seines Sohnes durch BIG Rex in die rechtsextreme Szene gelangt seien. In der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 13. März 2015 sagte der Beamte in öffentlicher Sitzung:"Eine Herausgabe von Telefonnummern an außenstehende Personen erfolgte nicht".

Auf S. 8 führen Sie aus, dass Florian H. nicht auf eingenommene Medikamente untersucht worden sei. Nach der durchgeführten Obduktion am 16. September 2013 wurde auch eine toxikologische Untersuchung angeordnet, bei der auch die Mageninhalte und eingenommenen Medikamente untersucht wurden. Ich verweise hierzu auf die umfangreiche Vernehmung des Sachverständigen Prof. Dr. H.-D. W., Arzt für Rechtsmedizin und früherer Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Tübingen in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 13. März 2015.

Zum Komplex Torsten O. / Günther S. schließen Sie Ihre Ausführungen damit, dass es mehr als fraglich sei, ob der Ausschuss das Angebot von Torsten 0., erneut auszusagen, wahrnehme, da für ihn der Fall Erbse abgeschlossen sei. Der Untersuchungsausschuss hat sich mit den erneuten schriftlichen und fernmündlichen Aussagen des Torsten O. befasst und vereinbart, ihn zunächst, bevor er erneut als Zeuge vernommen wird, zu einer schriftlichen Stellungnahme aufzufordern und ihm anzubieten, dass, wenn er konkretisieren könne, von welchen Behörden eine Aussagegenehmigung einzuholen sei, diese zuvor eingeholt werde.

Zuletzt möchte ich noch zu Ihrer Beobachtung, dass der Untersuchungsausschuss bei der Ortsbesichtigung in Heilbronn mit Erleichterung festgestellt habe, dass alle Zeugen unglaubwürdig seien, betonen, dass sich dies nicht mit meiner Wahrnehmung deckt.

Auch wenn ich als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses nicht für die einzelnen Mitglieder sprechen kann, kann ich zumindest mitteilen, dass in der Folge einstimmig beschlossen wurde, einige der Zeugen in den Untersuchungsausschuss zu laden, um sich einen eigenen Eindruck über die Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Dies wird nun am 28. September 2015 stattfinden.

Mit freundlichen Grüßen, Wolfgang Drexler MdL

Der NSU-Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg - Ein Zwischenbericht (Erweiterte Onlinefassung)